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Der Fachkräftemangel ist hausgemacht

23. Juni 2024

Unsere Motion Balmer/Wiederkehr betreffend Steuer­ungs­massnahmen für eine Gymnasialhöchstquote haben wir im November 2020 bei der Staatskanzlei eingereicht. Mittlerweile wurde die Motion vom Kantonsrat teilerheblich erklärt, und der Bildungsrat hat einen Vorschlag ausgearbeitet, der im Moment bei verschie­denen Interessen­vertretenden in der Vernehmlassung ist.

Die Berufsausbildung (über die Lehre) ist das Rückgrat des Erfolgs der Schweiz als Wirtschafts- und Industriestandort. Wir sollten nicht in die Akademisierungsfalle treten wie beispielsweise unsere umliegenden Nachbarländer mit einer hohen Akademisierung, verbunden mit einer hohen Arbeitslosigkeit junger Menschen. Aus wirtschaft­licher Sicht müssen wir die Berufsbildung wie auch Ma­turität stärken. Nicht nur im Kanton Zug, schweizweit müssen wir den Gymnasial­zugang stärker regulieren. Dies gelingt uns in einem Drei-Säulen-Modell: Säule eins betrifft die Förderung der Berufsbildung. Der Kanton Zug macht bereits viel und er will noch mehr tun. Der Kantonsrat hat ein Postulat be­treffend Förderung attraktiver Lehrstellenangebote in gewerblichen Berufen als «Erheblich» erklärt.

Säule zwei betrifft die Eltern. Das latente Minderwertigkeitsgefühl von Eltern gegenüber einer Berufsbildung ist abzubauen und es ist Aufklärung zu betreiben. Dazu empfehle ich allen Eltern das Buch «Karriere mit Berufsbildung» (von Ea Eller, Rodolf H. Strahm, Jörg Wombacher). Mit Fakten wird klar aufgezeigt, warum schon heute der Arbeitsmarkt Fachkräfte mit Berufslehre am meisten begehrt.

Säule drei betrifft die Regulierung für den Zutritt zur Kantonsschule. Ich habe bei unserer Motionsbehandlung damals den Bildungsrat kritisiert, dass er untätig sei betreffend der stetig steigenden Eintritte in die Kantonsschule. Im Übertrittsjahr 2021/2022 waren es über 26 Prozent, und die Quote wird wohl weiter steigen.

Der Bildungsrat hat nun einen Vorschlag unterbreitet, und ich kann dem Entwurf des Berichtes zum Übertritts­reglement voll und ganz beipflichten. Die Richtung stimmt. Ich habe die Teil­erheblichkeitserklärung im Kantonsrat so verstanden, dass sich dieser gegen eine ausschliessliche Übertritts­prüfung ausgesprochen hat. Dass aber die Übertrittsprüfung ein Teil des Übertrittsverfahrens darstellt, konnte man sich vorstellen.

Bis dato ist noch niemand zu mir gekommen mit einer besseren Lösung als das zusätzliche Element einer Prüfung, um besser regulieren zu können. Mit einer Prüfung kann auch dem steigenden Druck der Eltern auf Lehr­personen bezüglich der Zu­weisungen entgegengewirkt werden. Es wird viel Kritik an einer zusätzlichen Prüfung geübt, ohne Lösungsvorschläge zu bringen.

Ich bin überzeugt, dass mit den Erfahrungswerten (Vornote), der Lehrpersonen-Empfehlung (Prognosewert) und einer Prüfung ein guter Weg gefunden ist. Damit können wir auch den Weg über das Kurzzeit­gymi stärken. Der Weg über die Sekundarschule ist nach wie vor prüfungsfrei. Er eröffnet den Jugendlichen aber die Chance, nach zwei bis drei Jahren den Weg der Berufsbildung einzuschlagen.

In den vielen Leserbriefe lese ich von einem funktionierenden Übertrittsverfahren. Das mag sogar stimmen, es geht aber völlig an den Bedürfnissen des Gewerbes vorbei. Es geht auch nicht darum, Jugendliche mit Prüfungen zu «plagen». Es geht darum, die jungen Menschen am richtigen Ort auszubilden und fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Professorin Elsbeth Stern, Lernforscherin an der ETH sagt: «30 Prozent der Schülerinnen und Schüler gehören nicht ans Gymnasium.» Allein mit dieser Aussage sollten alle Alarmglocken läuten, auch wenn die Prozentzahl etwas daneben liegen würde.

Zuger Zeitung 22. Juni 2024