Parlamentarische Aufsichtspflichten und Justizblamagen
15. August 2020
Es ist äusserst unschön, wie die Glaubwürdigkeit der Justiz in der Schweiz im Zuge von verschiedenen Verfahren rund um den immer noch aktiven Bundesanwalt Lauber leidet. Diese Krise kann nicht klein- od. schöngeredet werden und es wird auf Bundesebene wohl auch zu Systemänderungen führen. Obwohl die Verfahrensmiseren bei der Bundesanwaltschaft in der Vergangenheit zahlreich waren, ist dies nicht das massgebende Kriterium. Vielmehr darf es nicht sein, dass scheinbar zugegebenermassen vereinfacht dargestellt –auf der einen Seite- die Bundesanwaltschaft und andererseits die Aufsichtsbehörde, Gerichte und die parlamentarische Aufsichtsbehörde sich eine Auseinandersetzung sondergleichen bieten. Die Schweiz ist grundsätzlich auch stolz auf ein funktionierendes Rechtssystem und profitiert in vielfacher Hinsicht davon. Ich zähle darauf, dass unsere Bundesparlamentarier in Bälde die nötigen Beschlüsse für die Schadensbehebung fällen.
Es sei an dieser Stelle sodann betont, dass im Kanton Zug aktuell kein Misstand im Justizsystem herrscht. Zu einem austarierten (Justiz-) System muss aber man Sorge tragen und insbesondere Kontrollmechanismen gerade in ausserordentlichen Lagen einhalten. In den gleichen Konnex gehört, dass vor geraumer Zeit mit äusserst knappem Entscheid der Zuger Kantonrat sich schwer tat, die Wahl und Aufsichtsregeln bei der Staatsanwaltschaft neu und konsequent zu ordnen mit der Folge, dass das Obergericht die Staatsanwaltschaft weiterhin beaufsichtigt und etwas systemfremd gleichzeitig auch Beschwerdeinstanz und Arbeitgeberin ist.
Umso wichtiger ist für mich, dass bei dieser Ausgangslage die parlamentarische Oberaufsicht über die Justizbehörden gut funktioniert. Leider hat sich nun herausgestellt, dass heuer scheinbar infolge der Corona-Krise die parlamentarische Gerichtsaufsicht im Kanton Zug nur ein Minimalprogramm absolvierte. Anstatt die wichtigen persönlichen Visitationsgespräche im üblichen jährlichen Turnus durchzuführen, wurde heuer mit einer Ausnahme eine reine schriftliche Oberaufsicht vorgenommen. Es besteht aber meines Erachtens effektiv nicht nur in der massgebenden Verordnung ein Unterschied zwischen prüfen und visitieren. Wir alle wissen es zwischenzeitlich aus Erfahrung zu genüge: Telefon- und Videokonferenzen können nicht Alles ersetzen. Der direkte persönliche Kontakt ist bei einer sinnvollen Kontrolle unverzichtbar. Aber auch formell hat die parlamentarische Justizprüfungskommission die gesetzliche Visitationspflicht sehr grosszügig interpretiert, wenn nicht gar missachtet.
Gerade in ausserordentlichen Situationen wie der aktuellen leider mutmasslich noch länger andauernden Corona-Krise soll eine gute Kontrolle (Überprüfung und Ausgleich) der verschiedenen Gewalten erfolgen. Die Regierung, das Parlament und die gerichtlichen Instanzen sollen sich gegenseitig in angemessenen Umfang kontrollieren und Machtmissbrauch vorbeugen. Im Kanton Zug hat das Parlament die Oberaufsicht über die gerichtlichen Behörden und dies ist nicht nur ein «Schönwetterprogramm». Es muss nicht immer ein unmittelbarer Justizskandal drohen. Kontrollpflichten dienen vor allem auch der Vorsorge und müssten eigentlich antizyklisch, vielleicht gegen den Trend, intensiviert werden.
Kurt Balmer, Kantonsrat, CVP Risch